Karl Trygve Kalleberg ist der CEO von Age Labs. Das Unternehmen hat die Mission, Menschen ein längeres und gesünderes Leben zu ermöglichen, indem sie neue diagnostische Tools für das frühzeitige Erkennen von altersbedingten Krankheiten verfügbar machen. Die Grundlage dafür sind epigenetische Tests zur Messung des biologischen Alters, um Risikofaktoren so früh wie möglich zu identifizieren, die mit dem Auftreten von altersbedingten Krankheiten in Verbindung stehen.
Das Unternehmen verbindet prädiktive Datenanalyse anhand statistischer Modelle mit klinisch relevanten Fragestellungen. Gemeinsam mit der Firma neotes bieten sie Tests an, die das biologische Alter messen. In Deutschland und Österreich ist der Test auf der Longevity Platform von neotes erhältlich. (Interview wurde sinngemäß aus dem Englischen paraphrasiert und gekürzt)
Hallo Karl, warum ist das Messen des biologischen Alters so wichtig?
Patienten im klinischen Alltag sind tendenziell sehr alt. Und wenn sie dort sind, dann ist es meistens zu spät, sie sind nicht mehr behandelbar, zumindest sind die Konsequenzen nicht mehr umkehrbar. Ärzte können dann nur noch Symptome bekämpfen. Aber wir haben oft keine Therapien, die zum Beispiel Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Nierenerkrankungen oder Krebs wieder „beheben“ können. Es fehlt der Ansatz, gesunde Menschen rechtzeitig mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln langfristig gesund zu halten. Das ist der Grund, warum wir die Möglichkeit für personalisierte Präventionsbehandlungen in den Mittelpunkt rücken möchten.
Was meinst du mit personalisierten Präventionsbehandlungen?
Aktuelle Empfehlungen lauten: „Du musst dich gesund ernähren, du sollst Sport betreiben, soziale Kontakte pflegen, nicht rauchen, nicht trinken etc.“ Diese Empfehlungen sind für alle wahr, für alle Erwachsene zumindest. Aber selbst wenn das alle machen, würde es weiterhin Krankheiten geben und es stellt sich die Frage: Müssen alle exakt dasselbe in derselben Häufigkeit machen in derselben Zeitspanne etc.? Mit Age Labs verfolgen wir einen personalisierten Ansatz. Wenn wir Menschen möglichst lange bei bester Gesundheit erhalten möchten, dann müssen wir Anzeichen von Krankheitsverläufen so früh identifizieren, dass man diese noch verändern kann.
Warum heißt es Biologisches Alter und warum ist diese Zahl relevant für unsere Gesundheit?Anders gefragt: was ist der Mehrwert?
Der Hauptpunkt ist der, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem chronologischen Alter, also dem Alter im Reisepass, und dem biologischen Alter. Wir wissen, dass bei manchen Menschen der Körper schneller schwach und krank wird. Andererseits gibt es Individuen, die sehr gesund sehr alt werden und auch jung aussehen im Vergleich. Das führt zur Frage: Altern alle Menschen gleich schnell? Die Antwort ist ganz eindeutig Nein. Worin liegt aber der Unterschied? Die Hoffnung, biologisches Alter zu bestimmen ist die Hoffnung, zu bestimmen wie schnell oder langsam man altert, um dann noch eingreifen zu können. Gesunde Menschen sind per Definition nicht krank, aber haben unter Umständen, dasselbe Risiko zu erkranken. Biologisches Alter kann uns dienen, dieses Risiko früh zu erkennen.
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Wie funktioniert der Test?
Wir sind alle mit einer fixierten DNA geboren. Diese ist identisch in alle Zellen hineinkopiert. Was Zellen unterschiedlich macht, sind die unterschiedlichen Konfigurationen. Die Gene, die in einer Zelle aktiviert sind, sind in einer anderen nicht aktiviert. Zum Beispiel eine Haut-Zelle ist anders aktiviert als eine Hirnzelle. Diese Konfiguration nennt sich Epigenetik. Die Epigenetik kann man sich vorstellen wie Post-It-Notes auf den Genen, die kennzeichnen, welche Gene tatsächlich aktiviert werden sollen und welche nicht.
Der deutsche Wissenschaftler Steve Horvath hat als Professor an der UCLA in Los Langeles herausgefunden, dass es bestimmte Muster an Gen-Aktivierungen gibt, die ganz besonders mit Alterung in Verbindung stehen. Zudem hat er herausgefunden, dass über diese Aktivierung sich das kalendarische Alter haargenau bestimmen lässt. Eine besonders interessante Beobachtung war: Wenn die epigenetische Bestimmung das kalendarische Alter älter einschätzte als das kalendarische, dann ging das mit einem erhöhten Auftreten von altersbedingten Krankheiten einher. Diese Beobachtungen haben zum Forschungszweig zum biologischen Alter geführt. Der Forschungszweig beruht auf der Grundlage der epigenetischen Messungen.
Misst der Test nur die Symptome für biologisches Altern oder auch die kausale Ursache für das Altern?
In der Forschung gibt es einen breiten Konsens, dass das epigenetische Alter relevante Aspekte von Alterung erfassen kann. Aber worüber diskutiert wird: Ist der Test eine Art Tachometer, wie schnell man altert oder ist es ein Messinstrument wie stark das Gaspedal gedrückt wird. Wenn es das zweite ist, dann können Veränderungen kausale Einflüsse haben. Also das Setup der Gen-Regulation würde dann verändern wie schnell wir altern. Und da wird sehr viel geforscht, zum Beispiel in Harvard durch die Gruppe von David Sinclair unter dem Stichwort „epigenetisches Reprogrammieren“, also wie man diese Regulationen verändern kann und wie das Alterung beeinflusst oder gar umkehren, das biologische Alter senken kann.
Was bedeutet das für reguläre Kunden? Ist das noch eher Zukunftsmusik oder kann man diese State-of-The Art Diagnosemethoden schon heute sinnvoll anwenden?
Normale gesunde Menschen profitieren vor allem vom hohen Informationsgehalt des Tests. Wir können definitiv sagen, dass ein hoher Wert im Test tendenziell ein höheres Krankheits- und auch Sterblichkeitsrisiko bedeutet. Wie genau das individuell auch praktisch sinnvoll ist, ist unsere Hauptaufgabe bei Age Labs zusammen mit unseren Partnern von neotes, das immer noch genauer zu erforschen. Was wir heute schon haben, ist im Vergleich zu anderen Diagnose-Verfahren aber bereits sehr präzise.
Wo wir noch viel Forschung machen müssen, ist der nächste Schritt: welche individuellen Empfehlungen sind dann effektive Interventionen in Abhängigkeit von individuellen Ergebnissen.
Jetzt noch mal bitte etwas konkreter: was ist der Test und warum ist es ein besseres Diagnose-Tool als Standard-Methoden?
Also im Grunde ist es ein Blut-Test. Die Parameter werden mit statistischen Modellen der Gen-Regulation in Verbindung gesetzt. So vergleicht man dein Profil mit den Daten von extrem vielen anderen Datenprofilen, bei denen wir Risiko-Veranlagungen wissen. Aus den Berechnungen erhält man dann ein individuelles Risikoprofil.
Es ist ein unterstützendes Tool. Es soll andere Tests nicht ersetzen. Aber die epigenetische Methode ist ein zusätzlicher Test mit einer Informationsquelle, die mit normalen Diagnosemethoden noch nicht abgedeckt sind. Es ist eine Extra-Schublade im Körper mit Risikoinformationen, die deshalb eine sinnvolle Ergänzung darstellen.
Um ein konkretes Beispiel zu geben. Wir wissen, dass ihr mit Age Labs auch spannende Daten zum Zusammenhang von Covid-19-Verläufen und dem Biologisches-Alter Test gesammelt habt. Kannst du das bitte erläutern?
Wir haben geschaut, ob biologisches Alter und Epigenetik einen schweren Verlauf vorhersagen können. Die kurze Antwort: ja, das konnten wir zeigen. Es gibt eine Tendenz, dass Menschen mit einem höheren biologischen Alter ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf haben, und dass es sich dabei um ein sehr spezifisches Merkmal einer schweren COVID-19 Erkrankung handelt. Diese epigenetischen Signale ließen bessere Vorhersagen zu als Alter, Geschlecht und viele andere Faktoren alleine. Aber in der Realität versucht man alle Prädiktoren miteinander zu kombinieren, um eine möglichst exakte Vorhersage zu erhalten. Ein Beispiel: eine Knochenfraktur ist mit Epigenetik unsinnig zu diagnostizieren, aber wenn ich gleichzeitig die Anfälligkeit für Brüche und für rheumatoide Arthritis oder Risikofaktoren für Knochendichte vorhersagen kann, wird es ein rundes Bild.
Im Vergleich zu den Standard-Empfehlungen (gesundes Essen, Sport, mediterrane Ernährung Fasten bzw. Scheinfasten usw.) wie kann der epigenetische Test helfen, individualisierte Empfehlungen zu geben.
Genau da findet heutzutage extrem viel Forschung statt. Ob es Supplements sind, neue pharmazeutische Verfahren oder eben auch Fastenkuren, hier beginnt man immer besser zu verstehen, wie biologisches Alter und vor allem individuelle Risikoveranlagungen ganz gezielt angegangen werden können. Die Frage ist immer, wieviel Evidenz will man sammeln, bis man ganz eindeutige Empfehlungen aussprechen kann. Zum Beispiel beim Intervallfasten stellt sich für jeden die Frage, reicht mir die aktuelle Datenlage, um mir das Fasten „anzutun“ … der Konsens ist, man wird nicht viel falsch machen, aber wie effektiv es wirklich ist, da brauchen wir noch viel mehr Forschung … aber hier bewegt sich die Forschung auf jeden Fall hin.
Und wenn man nicht so lange warten will?
Man kann jetzt natürlich den Test nutzen, um seine eigenen Interventionen zu überprüfen. Ich mache einen Biologisches Alter Test, dann mache ich zum Beispiel drei Runden ProLon oder ich mache ein halbes Jahr Intervallfasten, und wenn ich dann wieder einen Test mache, kann ich überprüfen, ob ich langsamer altere. Das wäre dann ein klares Signal, dass ich mich insgesamt auf dem richtigen Weg befinde.
Was sind die besten Interventionen, um Altern zu verlangsamen?
Kalorienrestriktion also insbesondere mehrtägiges Fasten ist mit Abstand die best-bestätigte Methode. Daran zweifelt eigentlich niemand mehr ernstzunehmend.
Wer sollte deiner Meinung nach den Biologisches Alter Test machen und warum?
Am relevantesten ist es für Menschen zwischen 40 und 50 Jahren. Die Realität zeigt, dass hier meist schon die ersten Anzeichen altersbedingter Krankheiten einsetzen, die mit 60 besonders relevant werden, man aber noch recht viel Veränderungspotential hat. Aber wichtig: Wenn Diagnosen bestehen, ist es unersetzlich den medizinischen Standardweg zu wählen und mit dem Arzt gemeinsam vorzugehen. Unser Test ist nur eine zusätzliche Informationsquelle, kein Ersatz.
Zusammenfassend: ab 40 Jahren ist es besonders sinnvoll, aber der Test ist wirklich für alle relevant, die ein langes und gesundes Leben führen wollen aus drei Gründen.
Man kann:
- Risikopotentiale für Erkrankungen entdecken, bevor es zu spät ist
- personalisierte Handlungsempfehlungen ableiten
- überprüfen, ob man sich mit seinen Handlungen am richtigen Weg befindet und notfalls Anpassungen vornehmen
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